Gottesdienst am Pfingstsonntag - 28. Mai 2023 - Predigt: Pfarrerin Esther Böhnlein

Predigttext: 1. Brief des Paulus an die Korinther 2,12-16

Gnade sei mit euch und Friede, von Gott unserem Vater und dem Herren Jesus Christus, Amen.  

Liebe Gemeinde,  

Anfang diesen Jahres bat mich unsere Pfarramtssekretärin Barbara Hannemann darum, bei den Stadtwerken Rödental anzurufen. Es ginge wohl um die Abrechnung des Wasserverbrauchs und die zuständige Dame hätte eine Frage zu unserem Taufbecken. Das ließ mich zwar etwas stutzig werden, aber selbstverständlich rief ich sofort zurück. Die Dame erklärte mir, dass der Wasserverbrauch des Wasserzählers am Taufbecken ja sehr gering sei, und ob ich dieses denn überhaupt noch nutzen würde. Nun war ich erst recht verwirrt und fragte zurück: „Welchen Wasserzähler am Taufbecken meinen Sie denn?“ Sie antwortete: „Na Sie haben doch einen Wasseranschluss am Taufbecken in Weißenbrunn vorm Wald, und da wurde eben ein sehr geringer Verbrauch gezählt.“ Worauf ich entgegnete: „Nein, wir haben keinen Wasseranschluss am Taufbecken!“ – der Wortwechsel wiederholte sich. In mir verbreitete sich das Gefühl von Ärger: Wie kann die Dame der Stadtwerke es nur wagen mir etwas über unser Taufbecken zu erzählen, welches sie vermutlich noch gar nie gesehen hat? War sie überhaupt schonmal in der Kirche hier? Nein: War sie überhaupt schonmal in einer Kirche? Dann würde sie doch wissen, dass es keine Taufbecken mit Wasseranschluss gibt.  

Aber, keine Chance: Sie wusste es besser. Sie wollte es unbedingt besser wissen. Obwohl sie es nicht tat! Irgendwann reichte es mir und ich erklärte ihr deutlich, dass unser Taufbecken keinen Wasseranschluss hat und sie womöglich einfach das Waschbecken meint, das in der Sakristei hängt. Ah ja, das kann auch sein. Schweigen am Telefon.  

Der Predigttext für den heutigen Pfingstsonntag steht im 1. Brief des Paulus an die Korinther im 2. Kapitel:  

Wir haben aber nicht den Geist dieser Welt empfangen, sondern den Geist, den Gott selbst uns schickt. So können wir erkennen, was Gott uns geschenkt hat. Davon reden wir nicht in Worten, wie sie die menschliche Weisheit lehrt. Sondern wir reden in Worten, die der Geist Gottes lehrt. Mit seinen Worten erklären wir, was er selbst uns offenbart. Der Mensch nimmt mit seinen natürlichen Fähigkeiten nicht das an, was vom Geist Gottes kommt. Er hält es für Dummheit und kann damit nichts anfangen. Denn nur mithilfe des Heiligen Geistes kann es richtig eingeschätzt werden.  Aber ein von Gottes Geist erfüllter Mensch kann das alles richtig einschätzen. Dabei kann sich kein anderer ein Urteil über ihn anmaßen. Denn „wer kann feststellen, was der Herr im Sinn hat, und ihn beraten?“ (Jes 40,13) Aber was wir im Sinn haben, das kommt von Christus her. 

Liebe Gemeinde,  

Rechthaberei und Besserwisserei gehen mir gehörig auf die Nerven. Im Telefonat mit den Stadtwerken habe ich es schmerzlich erfahren. Wie kann jemand so viel Unsinn reden und sich dennoch so sicher darin sein, Recht zu haben? Am meisten hat mich dabei natürlich geärgert, dass ich es doch besser wusste. Ich war die Expertin und damit im Recht. Letztendlich war ich also genauso Besserwisserisch wie meine Gesprächspartnerin.  

Wo Menschen aufeinandertreffen, da passiert genau das. Wir teilen unser Wissen, unsere Erfahrungen miteinander und geraten mitunter in Konflikte. Wer hat mehr darüber gelesen? Wer hat den ausführlicheren Podcast dazu gehört? Wer hat schon einmal mit einer Person aus dem Fachgebiet ein Gespräch dazu geführt? Wer hat die Bibel gründlicher gelesen und besser verstanden?  

Selbstbehauptung und Konkurrenz untereinander sind die Folgen davon. Im schlimmsten Fall wenden sich Menschen voneinander ab, sie lästern hinter dem Rücken der anderen übereinander und erklären den jeweils anderen für komplett bescheuert.  

  • Die Wiese auf dem Friedhof muss gemäht werden! 

  • Die Wiese auf dem Friedhof muss stehen bleiben, damit die Insekten und andere Tiere genug Lebensraum haben! 

  • Die alten Menschen fallen hin, wenn die Wiese nicht gemäht wird! 

  • Ich weiß das viel besser als die, die haben doch keine Ahnung! 

Eine ganz schlechte Angewohnheit ist das, sich auf Kosten anderer mit anderen zu vergleichen. Und keine andere Situation ist es, über die Paulus in unserem Predigttext schreibt. Paulus spricht die Besserwisser direkt an. Mit ihrer Rechthaberei bleiben sie in der eigenen Logik stecken und werden blind dafür, was sie eigentlich von Gott geschenkt bekommen haben:  

  • Sie klammern sich am Geist der Welt fest, obwohl sie doch den Geist Gottes empfangen haben.  

  • Sie reden mit menschlicher Weisheit, obwohl Gottes Geist sie lehrt.  

  • Sie erfassen nur die Dinge der Welt und können die Dinge des Geistes Gottes nicht verstehen.  

Was ist damit konkret gemeint? Ich verstehe es so, dass sich verschiedene Verhaltensweisen gegenüberstehen. Verlockende Verhaltensweisen sind es, die eben genau das schaffen: Nämlich, dass wir auf Kosten anderer besser dastehen.  

à Rechthaberei, Angeberei, Egoismus, Überzeugtheit von sich selbst, Abgrenzung von anderen Menschen…  

Und auf der anderen Seite stehen eben Verhaltensweisen, die erstmal ein Stück weit anstrengender sind. Die einen nicht gleich super toll dastehen lassen, sondern die Kraft brauchen und anstrengend sind.   

à Mitleid, Erbarmen, Feindesliebe, Dankbarkeit, Empathie, Nächstenliebe, …  

Aber: Eigentlich dürfte das Problem doch gar nicht auftauchen? Mit dem heutigen Pfingstfest erinnern wir daran, dass Gott uns Christen und Christinnen seinen Heiligen Geist geschickt hat. Damit wir genau das können: Aus dem Glauben leben, für andere einstehen und aus Glaubens- und Gewissensgründen offenen Auges Nachteile in Kauf nehmen. Die Christen und Christinnen in Korinth sitzen doch aber im selben Boot – wieso schaffen sie es denn nicht, aus Gottes Geist zu leben?  

„Wir haben aber nicht den Geist dieser Welt empfangen, sondern den Geist, den Gott selbst uns schickt. So können wir erkennen, was Gott uns geschenkt hat.“ (V.12) 

Liebe Gemeinde, das, was Gott uns schenkt, das ist nichts Neues. Nichts, was uns zu grundlegend anderen Menschen macht. Nichts, was darin seine Wirkung hat, dass Christen und Christinnen bessere Menschen wären. Pfingsten legt viel mehr wieder frei, was Gott uns schon geschenkt hat, was er auch den Menschen in Korinth schon lang geschenkt hat: Die Erfahrung des Lebens aus Glauben. Die Möglichkeit dazu, dass wir uns jeder Zeit gegen Egoismus und für Nächstenliebe entscheiden können. Dass wir für andere Menschen einstehen können, anstatt hinter ihren Rücken über sie zu lästern. Dass wir Rechthaberei gegen Verständnis austauschen. Pfingsten legt frei, was Gott uns schon lang geschenkt hat: Die Liebe. Denn während nach Paulus die Erkenntnis lieblos ist, steht ihr die Liebe selbst gegenüber! Und Paulus wird nicht müde, dies in seinen Briefen aufzuschreiben:  

„Die Erkenntnis bläht auf; 

aber die Liebe baut auf. 

Wenn jemand meint, er habe etwas erkannt, 

der hat noch nicht erkannt, wie man erkennen soll. 

Wenn aber jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt.“ (1. Kor 8)  

„Oder stellt euch vor: Ich kann reden wie ein Prophet, kenne alle Geheimnisse und habe jede Erkenntnis. Wenn ich keine Liebe habe, nützt mir das gar nichts. (…) 4 Die Liebe ist geduldig. Gütig ist sie, die Liebe. Die Liebe ereifert sich nicht. Sie prahlt nicht und spielt sich nicht auf.5Sie ist nicht unverschämt. Sie sucht nicht den eigenen Vorteil. Sie ist nicht reizbar und trägt das Böse nicht nach.“ (1. Kor 13)  

Durch Pfingsten gewinnen wir Menschen neue Aussichten darauf, wie wir unser Leben gestalten können. Wie sich Leben auf Zukunft hin öffnet und sich frei macht von der Besinnung auf sich selbst. Pfingsten zeigt: Wir sind eine Gemeinschaft, eine Gemeinde, wir sind Menschen, mit all unseren Fehlern, mit all unseren guten Eigenschaften. Das, was Gott uns dafür schenkt, das ist die Liebe!  

In leuchtendem Rot erstrahlt die Welt, wenn Pfingsten naht, das Fest erhellt.  

Die Farbe Rot, ein Symbol der Glut, Von heißer Liebe erfüllt, voller Mut.  

So lasst uns feiern, an Pfingsten nun, Im Rot der Liebe, im Flammensturm.  

Und noch einmal Paulus:  

Was bleibt, sind Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei. Doch am größten von ihnen ist die Liebe… Amen!  

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.